Aus einer größeren Sammlung mit Objekten aus Ostafrika gelangten ein Schamschurz und ein Armring an den Naturkundeverein Reichenbach
(21.08.1884 Lichtenegg, Rimbach – 27.10.1959 Maiquetía, Venezuela)
Eingelieferte Sammlungsgüter
Im Rahmen eines Tausches zwischen dem Naturkundeverein Reichenbach und dem Völkerkundemuseum in Dresden gehen im September 1923 ein Schamschurz (Inv.Nr. 60528) und ein Armring (Inv.Nr. 60548) beim Naturkundeverein in Reichenbach ein.
Beide Objekte hatte der Missionar Pater Cornelius Vogl im Jahr 1913 als Teile einer größeren Sammlung dem GRASSI-Museum in Leipzig übergeben. Das Museum für Völkerkunde Dresden erwarb 1920 beide Objekte aus Leipzig. In Dresden wurden sie als Dubletten behandelt und nicht inventarisiert.
Auf der Übergabeliste nach Reichenbach wird der Schamschurz unter der Nr. 120 als Dublette 30 aufgeführt, der Armring unter der Nr. 141 als Dublette 32, Nr. 3960 a/b genannt. Beide sind mit der Herkunftsangabe „Wamuera“ versehen.
Beide Stücke werden im Rahmen der Museumsqualifizierung im Jahr 1976 aus dem Museum Burg Mylau nach Dresden zurückgegeben.
Zur Person des Sammlers
Cornelius Vogl wird am 21.08.1884 als Sohn eines Kleinbauern im Bayerischen Wald zu Lichtenegg, Rimbach geboren. Ab 1897 besucht er das Missionsseminar in St. Ottillien. Seine Reifeprüfung legt Vogl 1905 in Dillingen ab, wo er anschließend ein Hochschulstudium absolviert. 1909 wird er zum Priester geweiht. Er besucht katechetische Vorlesungen in München und gibt dort an Schulen Religionsunterricht. 1910 erhält er das Missionskreuz für das Apostolische Vikariat Dar-es-Saalam.[1] Seinen ersten Posten in der damaligen Kolonie „Deutsch-Ostafrika“ erhält er in Lukuledi[2], einer Stadt im Süden des heutigen Tansanias, wo er u.a. Katecheten ausbildet.
Vor 1913 und 1914 legt Vogl umfangreiche Sammlungen mit Ethnologika aus dem Hinterland von Lindi an, die er an das GRASSI-Museum für Völkerkunde in Leipzig gibt.[3] Auch an den Botanischen Garten, das Botanische Museum und die Staatlich zoologische Sammlung in München gibt Vogl verschiedene Sammlungen und Sammlungsgüter, die er während seines Aufenthalts in Tansania zusammengetragen hat.
1914 erhält er den Auftrag eine Missionsstation in Mnero bei den, so heißt es in seinem Nachruf, „… etwas unruhigen Wamwera …“ zu gründen.
Infolge der Kampfhandlungen des Ersten Weltkrieges begibt sich Vogl an den Nyassasee nach Lituhi im Südwesten des Landes.[4] Hier gerät er im Oktober 1916 in britische Kriegsgefangenschaft und wird zunächst in Blantyre (Britisch-Nyassaland, heute Malawi) interniert.[5] Das Ende seiner Gefangenschaft verbringt er nach verschiedenen Zwischenstationen in Sidi Bishr (Ägypten).[6] Im November 1919 kehrt er nach St. Ottilien zurück. Vogl bleibt nicht lange in Deutschland: Im September 1923 wird er nach Asturien entsandt, wo er die spanische Sprache lernt, um im März 1925 nach Venezuela zu gehen. In seinem Nachruf heißt es zu seiner Tätigkeit in Venezuela: „Dort konnte er seine ganze Manneskraft und Erfahrung in der Stadt- und Landseelsorge sowohl wie besonders in der Schularbeit einsetzen.“[7] Neben Seelsorge und Missionstätigkeit „führt“ er in Maracay über Jahre eine sechste Klasse und schreibt zahlreiche Artikel für Jugendzeitschriften und Beiträge für die naturwissenschaftliche Gesellschaft „La Salle“.
Für seinen Sammeleifer, der sich in der Zeit seines Aufenthalts in Venezuela wohl noch verstärkt haben muss, erhält Vogl 1928 von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften die Medaille „Bene merenti“ und 1948 die „Goldene Medaille“.[8] Auch wurden einige Pflanzen nach ihm benannt.[9] 1936 wird Vogel aus Maracay abberufen. Im gleichen Jahr wird er in Caracas Direktor einer vom Kloster geleiteten Knabenschule. 1951 wird er vom Schuldienst „entlastet“ und zum Direktor des Landgutes Camuri Chico, nahe der Küstenstadt Maiquetía, benannt, wo er sonntäglich Gottesdienste abhält. Dort stirbt Vogl am 27.10.1959.[10]
Erkenntnisse zu den Erwerbsumständen
Unter welchen genauen Umständen Vogl an den Armreif und den Schamschurz gelangte, konnte bisher nicht geklärt werden. Dass Vogl zwischen 1910 und 1913 in Tansania an die Objekte gelangte, ist sehr wahrscheinlich.
Der Armreif gehörte möglicherweise einer bedeutenden weiblichen Person. Diese Art Schamschurz wurde traditionell von unverheirateten Mädchen unter der Hauptbekleidung getragen, und nur dem Freund oder Liebhaber gezeigt.
Aufgrund ihrer Verwendungskontexte und des kolonialgeschichtlichen Sammlungskontextes sind beide Objekte weiterhin als sensibel einzuordnen.
Offene Fragen und weiterer Forschungsbedarf
Im Grassi-Museum Leipzig liegen zu Vogl Erwerbsakten und Korrespondenz sowie von ihm angefertigte Fotografien vor[11], deren Einsicht bisher leider nicht möglich war.
Eine Sichtung und Auswertung könnte weitere Hinweise zu den Objekten und ggf. auch zu Erwerbsumständen erbringen. Als durchaus fraglich erscheint es, warum ein katholischer Geistlicher Schamschürze junger Frauen sammelt, die eigentlich nur für die Augen der Freunde/Liebhaber bestimmt sind.
[1] Vgl. Benediktiner Missionsgesellschaft, Archiv der Erzabtei St. Ottilien: Nachruf auf P. Cornelius Vogl vom 10.11.1959.
[2] In Lukuledi wurde 1895 eine Missionsstation des Benediktinerordens eröffnet.
[3] Vgl. Oehrl: Nicht nur die Yao!; in: Kunst & Kontext - Außereuropäische Kunst und Kultur im Dialog vom 2016, S. 58–66.
[4] Vgl. Benediktiner Missionsgesellschaft, Archiv der Erzabtei St. Ottilien: „Nachruf auf P. Cornelius Vogl vom 10.11.1959“.
[5] Vgl. Deutschland, Verlustlisten im 1. Weltkrieg, 1914-1919, Nr. 1410; in: Ancestry.com. URL: https://www.ancestry.de/discoveryui-content/view/3606903:2124?_phsrc=Sid291&_phstart=successSource&gsfn=Alfred&gsln=Mansfeld&ml_rpos=1&queryId=3314639c8d5d970d42cb46cbb5034e16 (24.11.2022).
[6] Vgl. Benediktiner Missionsgesellschaft, Archiv der Erzabtei St. Ottilien: „Nachruf auf P. Cornelius Vogl vom 10.11.1959“.
[7] Ebd.
[8] Vgl. ebd.
[9] Vgl. Vogl, Cornelius (1884-1959); in: Global Plants database. URL: https://plants.jstor.org/stable/10.5555/al.ap.person.bm000052546 (09.11.2022).
[10] Vgl. Benediktiner Missionsgesellschaft, Archiv der Erzabtei St. Ottilien: „Nachruf auf P. Cornelius Vogl vom 10.11.1959“.
[11] Auskunft Tina Oppermann, Provenienzforscherin am Museum für Völkerkunde in Dresden, Gespräch am 1.12.2022.