Ein besonderes Objekt ist der Spazierstock des Sprachforschers Gottlob Adolf Krause, welcher über das Museum für Volkerkunde Dresden nach Reichenbach gekommen ist.
(5.1.1850 in Okrilla bei Meißen[1]- 19.2.1938 Zürich[2])
Eingelieferte Sammlungsgüter
Im August 1888 verkauft Gottlob Adolf Krause dem Völkerkundemuseum in Dresden einen geschnitzten Stock (Inv. Nr. 21520). Auf der Liste „An die Direktion der Ethnographischen Abteilung der Königlichen Museen in Dresden“ vermerkt Krause, dass es sich um einen "Gehstock für Frauen, 1,5 m lang, mit Verzierungen versehen; aus Wa zwischen Asante und Mosi; seit Wa mein eigener Reisestock"[3] handelt.
Der Stock wird im März 1912 an den Naturkundeverein in Reichenbach abgegeben. In der Übergabeliste ist das Objekt unter den Gegenständen mit der Herkunftsbezeichnung „Aus Ost- und Central-Afrika“ als „geschnitzter Stab der Wa“ verzeichnet.
Der Stock wird im Rahmen der Museumsprofilierung 1976 von Mylau nach Dresden zurückgegeben, wo er sich noch heute befindet.
Zur Person des Sammlers
Das Leben des Sprachforschers Gottlob Adolf Krause ist in der 1972 in Berlin erschienenen Monografie von Peter Sebald „Malam Musa - Gottlob Adolf Krause: 1850-1938“, Berlin 1972 ausführlich beschrieben.[4] Sebald gibt außerdem das Tripolitanische Kriegstagebuch von A.G. Krause heraus.[5] Hierin schildert Krause seinen Aufenthalt in Lybien in den Jahren 1911 und 1912.
Gottlob Adolf Krause wird am 5.1.1850 in Ockrilla, einem kleinen Dorf bei Meißen in Sachsen geboren. Laut eigener Aussage fühlt er schon als Kind die Lebensaufgabe an der „planmäßigen Erforschung Afrikas“[6] teilzunehmen. Nach seiner Schulzeit in Meißen, besucht er die Thomas-Schule in Leipzig. Hier lernte er Griechisch, Französisch, Latein, Englisch und Italienisch. 1868 begibt sich Krause zu Fuß in Richtung Süden, über Österreich-Ungarn und Italien gelangt er über das Mittelmeer im Dezember nach Tripolis - ein idealer Platz für seine Sprachforschungen, verband doch Tripolis als Handelszentrum den nordafrikanisch-arabischen Raum mit dem Inneren Westafrikas. Krause lernt zunächst Arabisch, dann auch das als Handelssprache in Westafrika genutzte Hausa.
Mit dem Ziel das Landesinnere zu erreichen, schließt er sich 1869 einer Expedition der Niederländerin Alexandrina Tinne nach Mursuk an, wo sie auch auf Gustav Nachtigal[7] treffen. Nach drei Monaten kehrt Krause 1870 nach Tripolis zurück. Während seines insgesamt achtmonatigen Aufenthalts in Libyen kommt er zum ersten Mal mit dem Sklavenhandel in Kontakt, was seine zukünftigen Lebensansichten und seinen Sinn für Wahrheit und Gerechtigkeit prägen sollte.[8] Von Tripolis begibt sich Krause zu Studienzwecken wieder nach Leipzig. Nach dem deutsch-französischen Krieg, studiert er hier 1873 bis 1876 Naturwissenschaften. Um weiter die afrikanischen Sprachen erforschen zu können, muss er wieder nach Afrika, weshalb er wohl auch mit Nachtigal in Verbindung steht, der als finanzieller Förderer seiner Pläne gilt. 1878 reist Krause erneut nach Tripolis. Hier und im unmittelbaren Hinterland an der Küste hält er sich nun viereinhalb Jahre auf. Krause plant u.a. die Sahara zu durchqueren und erhofft sich dafür Unterstützung von der 1876 gegründeten „Afrikanischen Gesellschaft in Deutschland“. Er versucht vergeblich auf der Transsahelroute in die Sahelzone südlich der Sahara und so in die Hausa-Länder zu kommen. Als er seine Pläne grundlegend ändert und nunmehr beschließt auf dem Seeweg nach Lagos zu gelangen und von da aus den Niger flussaufwärts, wird er für die deutschen Kolonialbestrebungen interessant. Der Weltreisende, Geschäftsmann und Mäzen Dr. Emil Riebeck (1853-1885) bietet Krause eine wissenschaftliche Expedition an den Nil an. Im Vorfeld der Expedition veröffentlicht Krause drei sprachwissenschaftliche Bücher zu afrikanischen Sprachen. Als sich Krause im Jahr 1884 bereits in Lagos befindet, eröffnet Riebeck ihm seine wirklichen Pläne: Krause solle mit einheimischen Fürsten Verträge schließen, die die Gebiete in den Nigermündungen, am Niger und am Benue[9] unter den Schutz des Deutschen Reiches stellen sollen. Krause wehrt sich wohl vehement gegen diesen Missbrauch seines Wissens. In einem Brief an Riebeck äußert er sich dazu wie folgt: „Ich wünsche nicht, dass die Reichtümer Afrikas dazu dienen sollen, reiche Europäer noch mehr zu bereichern.“[10]
Nach seiner Rückkehr nach Deutschland beantragt er ein Ehrengericht gegen Riebeck, der aber bereits wenige Monate später verstirbt. Die Kaiserliche Reichregierung lehnt von nun an alle finanziellen Anträge Krauses zur wissenschaftlichen Forschung in Afrika ab, da dieser nach ihrer Ansicht zu Beginn der Kolonialeroberung 1984 versagt hatte.[11] Krause muss daher seinen nun folgenden Forschungsaufenthalt in Westafrika und alle weiteren Reisen privat organisieren. Er reist unter prekären Bedingungen. Die Schiffspassagen zahlt er aus dem Honorarvorschuss für seine Reiseberichte, die er im Auftrag deutscher Zeitungen anfertigt. Im April 1886 erreicht er Accra. Von dort marschiert er im Mai 1886 400 km nach Salaga, im Landesinneren Ghanas, danach nach Wagadugu (heute: Ouagadougou - die Hauptstadt Burkina Fasos). Im Dezember erreicht er den nördlichsten Punkt seiner Reise in der Nähe von Timbuktu. Nach Timbuktu darf er jedoch nicht einreisen, da er nicht islamischen Glaubens ist.[12] Zurück in Salaga begibt er sich nach Sokodé im Hinterland der damals deutsche Kolonie Togo, das er anschließend als erster Deutscher von Nord nach Süd.[13] Nach 16 Monaten kommt er im September 1887 wieder in Accra an. Dazu schreibt er 1892 in der preußischen „Kreuzzeitung“:
„…Bei meiner Reise von der Goldküste bis in die Nähe von Timbuktu habe ich 4.300 km zurückgelegt, bin durch das Gebiet der verschiedensten Stämme gekommen, habe überall das Land friedlich betreten und friedlich verlassen, ohne eine Waffe zu haben. Die Wissenschaft braucht kein Blut…“[14]
1889 bis 1895 lebt Krause in Salaga in Ghana. Die dort lebenden Hausa geben ihm den Titel „Malam Musa“, wobei Malam für „Schriftgelehrter“ und Musa für „Moses“ steht.[15]
In den Jahre 1889 bis 1900 kritisiert Krause in verschiedenen Zeitungsartikeln und zwei Petitionen die deutsche Kolonialherrschaft in Togo. Von 1900 bis 1905 kann er in Salaga seine linguistischen Studien fortsetzen, wobei er fast vollständig erblindet. Zur Heilung befindet er sich er sich 1906/07 in Marseille. Daran schließt sich bis 1912 ein erneuter Aufenthalt in Tripolis an. 1912 bereitet er in Marseille seine Rückkehr nach Salaga in Westafrika vor, wo er bis zu seinem Lebensende bleiben möchte. Mit Ausbruch des 1. Weltkrieges wird er als Deutscher im August 1914 interniert. Ab Juni 1915 lebt Krause schließlich für 23 Jahre unter bescheidenen Umständen in Zürich, wo er 1938 stirbt.[16]
Erkenntnisse zu den Erwerbsumständen
Es erscheint als nahezu sicher, dass Krause den Stock, den er laut eigener Aussage selbst nutzte, auf seiner Wanderung in Westafrika (Mai 1886 bis September 1887) in der ghanesischen Stadt Wa etwa im Februar 1887 erwarb.[17]
Die zur Biografie Krauses ermittelten Fakten, seine antikoloniale Gesinnung bzw. sein antikoloniales Handeln[18] lassen einen unrechtmäßigen Erwerb als unwahrscheinlich erscheinen.
[1] Schnee: Deutsches Kolonial-Lexikon, S. 374.
[2] Gottlob Krause; in: Wikipedia. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Gottlob_Krause&oldid=218959056 (27.09.2022).
[3] Museum für Völkerkunde Dresden: MVD_1E_1888/29_Krause_G Brief von Krause „An die Direktion der Ethnographischen Abteilung der Königlichen Museen in Dresden“ vom 29.8.1888. Wa ist eine Stadt im Norden Ghanas. Bei den Mosi (auch: Mossi) handelt es sich um die bevölkerungsreichste Ethnie in dem an Ghana nördlich angrenzenden Burkina Faso. Die Aschanti (auch: Asante) sind eine große Ethnie, die im mittleren Süden Ghanas leben.
[4] Vgl. Sebald, Peter: Malam Musa - Gottlob Adolf Krause (1850-1938) Forscher - Wissenschaftler - Humanist; Leben und Lebenswerk eines antikolonial gesinnten Afrika-Wissenschaftlers unter den Bedingungen des Kolonialismus; Berlin 1972 (Studien zur Geschichte Asiens, Afrikas und Lateinamerikas, 23).
[5] Sebald, Peter (Hg.): Tripolitanisches Kriegstagebuch / Gottlob Adolf Krause/Malam Musa. Hrsg. und eingel. von Peter Sebald; 1. Aufl., Bremen 2014 Hierin befindet sich auch ein biografisches Kapitel zu Krauses Leben (S.11-19), das, so nicht anders gekennzeichnet, die Grundlage der nun folgenden Ausführungen bildet.
[6] Zitiert nach: Ebd., S. 6.
[7] Gustav Nachtigal (1834-1885) Arzt und Forscher, als Kaiserlicher Generalkonsul mit dem Erwerb deutscher Kolonien in Afrika beauftragt.
[8] Vgl. Sebald (hg. von): Tripolitanisches Kriegstagebuch / Gottlob Adolf Krause/Malam Musa. Hrsg. und eingel. von Peter Sebald.
[9] Fluss in Zentralafrika, größter Nebenfluss des Nigers.
[10] Zitiert nach: Sebald (hg. von): Tripolitanisches Kriegstagebuch / Gottlob Adolf Krause/Malam Musa. Hrsg. und eingel. von Peter Sebald, S. 16.
[11] Ausführlich dazu und zu Krauses Reise in Westafrika 1886-1887: Sebald: Malam Musa - Gottlob Adolf Krause, S. 74–88.
[12] Vgl. Sebald (hg. von): Tripolitanisches Kriegstagebuch / Gottlob Adolf Krause/Malam Musa. Hrsg. und eingel. von Peter Sebald, S. 17.
[13] Vgl. ebd.
[14] Zitiert nach: Ebd.
[15] Vgl. ebd., S. 19.
[16] Vgl. ebd.
[17] Vgl. Sebald: Malam Musa - Gottlob Adolf Krause, S. 80 Karte „Reiseroute Gottlob Adolf Krause in den Jahren 1886 und 1887“.
[18] Ausführlich nachzulesen in: Sebald: Malam Musa - Gottlob Adolf Krause.