Aus den Sammlungen von Julius August Konietzko kam ein Leibring über das Museum für Völkerkunde in Dresden an den Naturkundeverein Reichenbach.

(6. August 1886 in Insterburg - 27. April 1952 Hamburg)

Eingelieferte Sammlungsgüter

Wann der Leibring (Inv.Nr. 60529) vom Völkerkundemuseum in Dresden an den Naturkundeverein in Reichenbach gelangt ist, ist bisher unklar. Er erscheint in keiner der vorliegenden Übergabelisten.

Mit großer Wahrscheinlichkeit stammt das Objekt aus einem umfangreicheren Ankauf, den das Museum für Völkerkunde in Dresden im November 1920 mit dem Ethnografika-Händler Julius August Konietzko tätigt. Vermutlich handelt es sich um das Objekt, das auf der Übergabeliste mit der „Nr. 124 Leibring aus Perlen Dbl. 19“ verzeichnet ist.[1]

Am Objekt befindet sich ein Hängeetikett mit der bisher nicht zuordenbaren Nr. 39. Die Nummer könnte von einer Übergabeliste stammen. Die Rückgabe aus dem Museum Burg Mylau nach Dresden erfolgte im Rahmen der Museumsprofilierung 1976. Auch hier ist das Objekt nicht in den Übernahmedokumenten gelistet. Die Information, dass es 1976 aus Dresden zurückkam, ist lediglich in der Datenbank „Daphne“ des Museums für Völkerkunde in Dresden vermerkt.

Zur Person des Sammlers

Als Händler und Forschungsreisender ist Julius August Konietzko zahlreichen deutschen Museen bekannt, die er mit Kulturgütern belieferte. Darunter befinden sich das Ethnologische Museum Berlin, die Museen für Völkerkunde in Hamburg, Leipzig und Frankfurt am Main sowie das Völkerkundemuseum in Dresden.[2]

Julius August Konietzko wird am 6.8.1886 im damals ostpreußischen Insterburg geboren.[3] Er wächst bei seinem Onkel in Stolp in Pommern auf. Die Schule besucht er in Steglitz und Neustrelitz. Der Pflegevater beginnt ihn früh für Natur und Kunst zu begeistern. Bereits als Kind lernt Konietzko den österreichischen Anthropologen, Ethnografen und Forschungsreisenden Felix von Luschan kennen, dessen Bekanntschaft ihn zur Beschäftigung mit dem Thema Völkerkunde anregt.

Konietzko erlernt den Beruf des Kaufmanns und geht dann als Volontär nach Hamburg. Dort studiert er in Raritätengeschäften „Gegenstände fremder Völker“. Für den für Hagenbeck tätigen Tierfänger Wache erstellt er einen Katalog für dessen unsortierte Sammlung aus Äthiopien. Die Sammlungsgegenstände stellt er auf dem Dachboden seiner Pension auf und verkauft sie 1910 an Karl Weule, den Direktor des Museums für Völkerkunde in Leipzig. Daraufhin folgen weitere Kontakte zu Völkerkundemuseen, darunter Berlin, Hamburg, Lübeck, Frankfurt am Main sowie später auch Dresden und Basel. In der Folgezeit vorfinanzieren einige Museen seine Reisen, die er anschließend mit Kulturgütern beliefert. Eine Art Vorreiterrolle nehmen hierbei die Museen in Hamburg und Leipzig ein. Im Jahr 1911 tritt Konietzko seine erste Lapplandreise an, im selben Jahr bereiste er Spanien und Portugal. Die Sammelergebnisse der Reisen müssen erfolgreich gewesen sein, mietet sich Konietzko 1912 doch eine eigene Wohnung in Hamburg und meldet einen selbständigen Gewerbebetrieb als Kaufmann an. Weitere Sammlungsreisen u.a. nach Irland, Schottland und England folgten. Im Oktober 1913 tritt Konietzko eine Reise in den Sudan an. Auch diese Reise wird von den Völkerkundemuseen in Leipzig und Hamburg vorfinanziert. Die Direktoren dieser Häuser, Weule und Thilenius, hatten sich durch derlei finanzielle Unterstützung schon mehrfach erstklassige Sammlungen gesichert. Der erste Weltkrieg schränkt Konietzkos Aktivitäten ein. Geplante Reisen nach Ägypten und den Sudan können nicht stattfinden, stattdessen reist Konietzko zwischen 1914 und 1916 mehrfach nach Schweden und Norwegen, wo er gemeinsam mit seiner Ehefrau Anna (geb. Klüver) neben völkerkundlichen auch botanische und zoologische Sammlungen anlegt, die in verschiedene deutsche Museen gelangen. Im Mai 1917 wird Konietzko vom Hamburger Völkerkundemuseum als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter angestellt. In den Jahren 1917/18 hält sich das Ehepaar mehrfach zu Forschungs- und Sammelzwecken auf dem Balkan, u.a. in Mazedonien auf. Nach dem Ersten Weltkrieg ist Konietzko neben seinen Reisen auch als Double, Ausstatter (Kostüme, Waffen und Geräte) und Berater beim Film tätig. Nach seiner Scheidung heiratet Konietzko im Jahr 1924 die Malerin Lore geb. Lessing, gesch. Gessner.[4]

Neben zahlreichen Sammlungsreisen in Europa in den 1920er Jahren begibt sich Konietzko 1927 auch nach Ceylon (Sri Lanka) und Indien. Ein Jahr darauf bereist er Indien erneut. Auch von dieser Reise gelangen Sammlungen ins Völkerkundemuseum Hamburg.[5]

In den 1930er Jahren eröffnet Konietzko in Hamburg ein Ladengeschäft, in dem er neben Möbeln, Keramik und Spielzeug und diversen anderen Dingen auch zoologische, archäologische und prähistorische Objekte sowie zahlreiche Kulturgüter aus verschiedenen Regionen der Welt anbietet. Unter den von ihm zum Kauf angebotenen Waren befinden sich wohl auch human remains.[6]

Nachdem 1943 Wohn- und Geschäftshaus Konietzkos bei einem Bombenangriff ausbrennen, gelingt es ihm neue Geschäftsräume in Hamburg zu erlangen, die er nun mit völkerkundlichen Gegenständen füllt, die Soldaten auf Urlaub aus dem Krieg „mitbrachten“, aus Regionen, die Konietzko früher auf seinen Expeditionen bereist hatte.[7]

Konietzko stirbt am 27.4.1952.

Sein Sohn Boris Kegel-Konietzko (1925-1920) führt das Geschäft ab 1957 fort.[8]

Der Geschäftsbetrieb der Galerie von Ingeborg und Boris Kegel-Konietzko wird ab Anfang 2020 unter dem Namen Dorn & Kegel-Konietzko mit Alexander Dorn als Partner fortgeführt.[9]

Erkenntnisse zu den Erwerbsumständen und weiterer Forschungsbedarf

Die genauen Erwerbsumstände konnten bisher nicht geklärt werden. Hergestellt wurde das Objekt laut Übergabeliste (Ankauf Konietzko an das Völkerkundemuseum in Dresden) von den im Süden Tansanias lebenden Wamuera.

Ein persönlicher Aufenthalt Konietzkos in Tansania, konnte nicht ermittelt werden. Es ist davon auszugehen, dass Konietzko über sein Handelsnetzwerk an das Objekt gelangte. Da Geschäft und Privatwohnung Konietzkos in Hamburg 1943 ausgebombt und dabei die gesamten Geschäftsunterlagen vernichtetet wurden, erscheint eine weitere Recherche zumindest in dieser Richtung nicht erfolgversprechend.[10]

Aufgrund des kolonialgeschichtlichen Sammlungskontextes ist das Objekt weiterhin als sensibel einzuordnen.

 

[1] Vgl. Museum für Völkerkunde Dresden: MVD_E_K032_Konietzko_J_1912-1942.

[2] Vgl. ebd. Das Völkerkundemuseum in Dresden kauft regelmäßig bei Konietzko, u.a. auch Sammlungen aus Skandinavien; Mazedonien, Indien.

[3] Vgl. Zwernemann, Jürgen: Julius Konietzko. Ein „Sammelreisender“ und Händler; in: Mitteilungen aus dem Museum für Völkerkunde Hamburg (1986), S. 17–39. Zu Konietzko existiert auch ein Wikipedia-Eintrag: https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Konietzko (10.11.2022). Beatrix Piezonka legt in ihrem Abschlussbericht zum Provenienzforschungsprojekt „Die Erwerbungen des DLM Deutsches Ledermuseum Offenbach in den Jahren 1933-1945“ aus dem Jahr 2014, veröffentlicht auf proveana.de, eine Übersicht/Auswertung zu den zu Konietzko verfügbaren Akten vor.

[4] Bis zur Trennung im Jahr 1933 tätigen beide gemeinsame Expeditionsreisen. Lore (inzwischen verheiratete) Kegel eröffnet 1935 eine eigene Kunsthandlung für außereuropäische Kunst in Düsseldorf.

[5] Vgl. Zwernemann: „Julius Konietzko. Ein ‚Sammelreisender‘ und Händler“.

[6] Vgl. ebd. Jürgen Zwernemann zitiert hier den Sohn Wolf Konietzkos, ohne nähere Angabe, der in der Aufzählung der von Julius Konietzko in seinem Geschäft angebotenen Güter „Rasseschädel“ erwähnt.

[7] Vgl. ebd., S. 37.

[8] Vgl. Kegel-Konietzko & Dorn; in: Kegel-Konietzko & Dorn. URL: https://www.kkd-gallery.com/history (10.11.2022).

[9] Vgl. Boris Kegel-Konietzko verstorben; in: About Africa. URL: https://www.about-africa.de/diverses-unsortiertes/1285-boris-kegel-konietzko-verstorben (10.11.2022).

[10] Vgl. Piezonka, Beatrix: Erwerbungen des DLM Deutsches Ledermuseum Offenbach in den Jahren 1933-1945; Offenbach am Main 2014, veröffentlicht im Mitgliederbereich auf proveana.de.

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