Als ausrangiertes Tauschobjekt gelangte eine Wasserpfeife aus der umfangreicheren Sammlung des Grafen von Schweinitz vom Museum für Völkerkunde Dresden zum Naturkundeverein Reichenbach.

(21.2.1865 Liegnitz[1] - 9.2.1918 Berlin[2])

Eingelieferte Sammlungsgüter

Das Museum für Völkerkunde in Dresden schenkt dem Naturkundeverein Reichenbach im März 1912 die „Wasserpfeife eines Unyamwesi[3]-Trägers“ (MVD Inv.Nr. 23916). Die Abgabe erfolgt aus einer Reihe von in Dresden zum Tausch ausrangierter Objekte.[4]

Die Wasserpfeife wurde 1976 im Rahmen der Profilierung des Museums auf der Burg Mylau nach Dresden zurückgegeben.

Sie war im August 1893 als Teil einer umfangreichen Schenkung von Hans Hermann Graf von Schweinitz aus der damaligen Kolonie „Deutsch-Ostafrika“ nach Dresden gegeben worden und ist in den Übergabedokumenten unter der Nr. 43 verzeichnet. Für einen Großteil dieser Schenkung sind als Herkunftsangaben verschiedene Gegenden um den „Victoria-See“ angegeben.[5]

Zur Person des Sammlers

Hans Hermann Erdmann Bernhard von Schweinitz und Krain Freiherr von Kauder wird am 21.2.1865 in Liegnitz, in der damaligen preußischen Provinz Niederschlesien geboren. Die Eltern sind Hans Georg Julius Goasen von Schweinitz und Krain und Marie Julie Erdmuthe von Schweinitz und Krain, geborene Freiin von Luttitz.[6]

Schweinitz heiratet 1895 Luisa Auguste Maximiliane Erna von Berge und Herrndorf in Berlin.[7]

Im Jahr 1883 tritt er als Offiziersanwärter in das 10. Feldartillerie-Regiment ein. Ab Anfang 1885 ist er Offizier der preußischen Armee.[8]

Am 29.10.1891 reist er mit dem Reichspostdampfer „Reichstag“ von Neapel nach Ost-Afrika. Seine Aufgabe dort ist zunächst keine militärische. Als Expeditionsleiter soll er sich an der „Peterswerft-Expedition“ im Auftrag des deutschen Antisklaverei-Komitees beteiligen.[9] Ziel der Expedition ist die Gründung einer Werft am Victoriasee. Mit der Expedition werden u.a. auch Bootsteile zum Victoriasee transportiert, die dort zu einem Segelboot zusammengebaut werden sollen.[10]

Um für die Expedition Soldaten anzuwerben, hält sich Schweinitz zunächst in Aden (Yemen) auf.[11] Die Rekrutierten werden von Schweinitz in der Hafenstadt Bagamojo[12] ausgebildet, wo auch die Expedition vorbereitet wird.[13] Der ursprünglich für Dezember geplante Aufbruch ins Landesinnere startet erst im März 1892. Beteiligt sind neben Schweinitz als Expeditionsleiter ein Führer, ein Expeditionsschreiber, ein Kaufmann, fünf Schiffshandwerker sowie 80 Soldaten (Sudanesen und Somali). Einschließlich Frauen und Kinder handelt es sich insgesamt um etwa 1000 Personen. 300 Expeditionslasten werden von Trägern und Eseln transportiert.[14] Der Überquerung des Flusses Lugeringere folgt eine dreitägige Rast in der Missionsstation Mrogoro. Danach setzt sich die Expedition zur Mkata-Ebene fort, über Mkondoa und den Ugombe-See gelangt sie nach Mpapua und von da zur kaiserliche Station Kilossa[15], gefolgt von Nianguira[16], Muhalala[17] und von da weiter ins „Uniamwesi-Land“. Laut Schweinitz handelt es sich dabei „[…] um jenes Land, das die Hauptmasse der Träger stellt, das einen bedeutenden Handel treibt und daher auch einen großen Reichtum aufzuweisen hat.“[18]

In Tabora stellt sich Schweinitz auf Bitten des dortigen Stationsleiters als Offizier zur Verfügung und ist sowohl an der Planung als auch am Angriff auf die Festung Quikurru des dortigen Sultans Sike beteiligt. Nach Aussage Schweinitz´ sei man dort einem geplanten Angriff Sikes auf die Kaiserliche Station Tabora nur zuvorgekommen, von dem man aus sicherer Quelle gewusst habe.[19] [20]

Schweinitz schreibt dazu larmoyant: „Ich selber mußte jetzt auf die Erfüllung eines Wunsches verzichten, die Hoffnung aufgeben, meine Aufgabe in Afrika zu erledigen, ohne einen Schuß auf Menschen abzugeben.“[21] An anderer Stelle heißt es jedoch: „Als Privatmann war ich hinausgezogen, und es war mir jetzt umso willkommener, im Innern Afrika´s Gelegenheit zu haben, in meinem eigentlichen Berufe, dem eines Soldaten, im Dienste einer Kaiserlichen Regierung thätig sein zu dürfen.“[22]

Vor den eigentlich zum Schutz der Expedition angeworbenen „Askari“ hält Schweinitz den Angriff, an dem sie sich als Soldaten beteiligen mussten, bis zuletzt geheim.[23] Ein Drittel dieser Soldaten wird verwundet oder sterben schließlich bei dem von Schweinitz als „erfolgreich“ bezeichneten Angriff.[24]

Im Vergleich dazu erleiden nur drei Europäer Verletzungen, unter ihnen Schweinitz selbst, der im Laufe des Gefechts von einer Kugel getroffen wird.[25] Nach sieben Wochen Krankenlager ist Schweinitz bei weiteren Gefechten gegen die Festung des Sultans Sike anwesend, u. a. am 6. und 7. August 1892.[26]

Schweinitz bleibt insgesamt 99 Tage in Tabora. Er berichtet, dass er in dieser Zeit auch von der Sultanin Bibi Riasso besucht wird, der er im Tausch gegen selbst gebackenen Kuchen fünf ihrer Fußringe „abnimmt“, die sie ihm, so Schweinitz,  „… holdselig lächelnd übergab“.[27] Vermutlich handelt es sich hierbei um die unter der Inv.Nr. 23926/7 im Museum für Völkerkunde in Dresden als „5 Fußringe aus Kupfer- und Messingdraht von der Sultanin von Unjanjimbe“ [28] verzeichneten Stücke.

Am 1. September 1892 bricht die Expedition in Richtung Victoriasee auf, wobei sie zuerst das „waldreiche Uniamesi“ und danach die Region Ussukuma[29] durchquert.[30] Nach 21 Tagen erreichen sie den Victoriasee.[31] Auf der Insel Ukara am Südufer des Sees wird Schweinitz nochmals durch einen Pfeilschuss verwundet. Auf der Nachbarinsel Ukerewe lässt er schließlich die Peterswerft errichten.[32] Hier erfährt er, dass das Projekt des ursprünglich geplanten Dampfertransports zum See aufgrund fehlender Finanzen aufgegeben wurde.[33] Für Schweinitz eine bittere Enttäuschung. Er begibt sich daraufhin auf eine 37-tägigige Reise zurück in die Küstenstadt Bagamojo, wo er am 7.1.1893 eintrifft.[34]

Wie viele Kolonisatoren gibt sich auch Schweinitz betont humanistisch und stellt seinen fairen und gewaltlosen Umgang mit den für die Expedition rekrutierten und kolonisierten Menschen in den Vordergrund.[35] Dazu schreibt er u. a.:

„…Ich habe nie versucht, Arabern oder Schwarzen gegenüber den Mbana mkuba – großen Herrn – herauszubeißen und mich mit einer unnahbaren Würde und Etiquette zu umgeben, wie das manchmal geschieht. Gerade das, was den Verkehr mit den Eingeborenen so angenehm macht, ist, dass man den Leuten so ganz als Mensch gegenübertreten kann. Ein N---- wird nie die Grenzen überschreiten, die ihm durch seine Stellung geboten sind.“[36]

Dass Schweinitz auch selbst Gewalt anwendete, ist wenige Zeilen später zu lesen:

„…Erst bei einem derartigen, dem N---- entgegengebrachten Wohlwollen wird die nothwendiger Weise nebenher gehende äußerste Strenge den richtigen Eindruck machen. […] Bei Leuten, die viel die Prügelstrafe anwenden, erreicht die Zahl der Peitschenhiebe auch zu leicht eine Höhe, die gesundheitsschädlich wirkt. Wenn ich einmal die Prügelstrafe anwandte, wurde die Exekution stets nach einer peinlich ausgeführten Untersuchung in feierlicher Weise vollstreckt. Nichts imponirt den Eingeborenen mehr, als Ruhe; nichts macht den Europäer lächerlicher, als Heftigkeit und Wuth. Wenn der Eingeborenen sieht, daß dem Europäer Gerechtigkeitsgefühl innewohnt, so wird sein Vertrauen bald ein hohes sein.“[37]

1893 kehrt Schweinitz nach Deutschland zurück und wird zur Kriegsakademie in Berlin kommandiert. Er tritt zunächst wieder in sein früheres Regiment, das Feldartillerieregiment von Scharnhorst, ein. 1896 verlässt er aufgrund der Nachwirkungen seiner Verwundungen endgültig den Militärdienst.[38] Seit 1894 gehört Schweinitz zum Ausschuss der Deutschen Kolonialgesellschaft und ab 1895 deren Vorstand an. In ihrem Auftrag ist er an der Organisation der „Deutschen Kolonialausstellung“ 1896 in Berlin beteiligt.[39] Er ist zudem Mitherausgeber des Buches „Deutschland und seine Kolonien im Jahre 1896“, in dem über die erste deutsche Kolonialausstellung berichtet wird.[40]

Schweinitz reist danach u.a. in den Kaukasus, Turkestan, Persien und Kleinasien. Im ersten Weltkrieg gründet er die Deutsch-Bulgarische Gesellschaft, deren stellvertretenden Vorsitz er einnimmt.[41]

Schweinitz stirbt 1918 in Berlin.

Erkenntnisse zu den Erwerbsumständen

Es ist davon auszugehen, dass der Sammler Hans Hermann von Schweinitz dieses Objekt von der „Peterswerft-Expedition“ zum Viktoriasee (März 1892 bis Oktober 1892) in der damaligen Kolonie „Deutsch-Ostafrika“ mitbrachte. Im Eingangsdokument des Museums für Völkerkunde Dresden ist das Objekt als "Wasserpfeife eines Unyamwesi-Trägers" verzeichnet, was auf eine Person verweisen könnte, die als Träger an der Expedition beteiligt war. Sie könnte auch von einem in den Diensten der Kolonialmacht tätigen afrikanischen Soldaten stammen, der u. U. am oben erwähnten Angriff gegen den Sultan Sike beteiligt war. Auch erscheint eine wie auch immer geartete Abnahme des Objekts im Rahmen dieses Angriffs möglich.

Die genauen Erwerbsumstände bleiben ungeklärt. Das Objekt ist weiterhin als sensibel einzuordnen.

 

[1] Schnee, Heinrich: Deutsches Kolonial-Lexikon, Bd. III. P-Z; Leipzig 1920. URL: http://archive.org/details/bub_gb_bY4zAQAAMAAJ (23.09.2022).

[2] Landesarchiv Berlin, Berlin, Deutschland, Sterberegister, 1874-1955, Urkunde Nr. 157.

[3] Unyamwezi ist eine historische Region im heutigen Tansania, nahe der Stadt Tabora. Sie ist südlich des Viktoriasees und östlich des Tanganjjkasees gelegen.

[4] Sie beinhaltet auch eine Lanze der Unyamwezi (MVD Inv.Nr. 23914), die heute in Dresden als Verlust gilt und sich evtl. noch im Museum auf der Burg Mylau befinden könnte. Auch diese Lanze stammt aus der Schenkung Schweinitz 1893.

[5] Vgl. Museum für Völkerkunde Dresden: MVD_1E_1891/18_Schweinitz_H_von Übergabeliste vom 17.8.1893.

[6] Vgl. Landesarchiv Berlin, Berlin, Deutschland, Heiratsregister, 1874-1936, Urkunde Nr. 7.

[7] Vgl. ebd.

[8] Schnee: Deutsches Kolonial-Lexikon, S. 327.

[9] In Deutschland kam es erst vergleichsweise spät, nämlich in den 1880er Jahren zu einer organisierten Anti-Sklaverei-Bewegung. Die christliche Bewegung mit ihrem vorgegebenen humanitären und religiösen Anliegen wurde in der deutschen Öffentlichkeit zu einem wichtigen Faktor bei der Durchsetzung der Kolonialpolitik. Eine Lotterie des deutschen Antisklaverei-Komitees brachte 1891 schließlich die Mittel für Expeditionen in „Deutsch-Ostafrika“ und den Bau eines Schiffes, das zur Bekämpfung der Sklavenjagd auf großen ostafrikanischen Seen eingesetzt werden sollte. Das bereits im Vorfeld beschaffte Dampfschiff des Kolonialoffiziers Hermann von Wissmann (das seinen Namen trug) wurde mit Lotteriemitteln zum Nyassasee transportiert. (https://de.wikipedia.org/wiki/Abolitionismus 9.3.2023) Zur Erforschung des Sees und des dortigen deutschen Kolonialgebietes sowie zur Verteidigung gegen Angriffe der kolonisierten Bevölkerung strebte der Kolonialist Carl Peters, wohl in Konkurrenz zu Wissmann, das Gründen einer Werft im Viktoriasee an. Auch hierin soll ein Dampfschiff verbracht werden.

[10] Vgl. Schweinitz, Hans Hermann: Deutsch-Ost-Afrika in Krieg und Frieden; Berlin 1894, S. 40. URL: https://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/dsdk/content/titleinfo/9330391 (27.09.2022).

[11] Ebd., S. 4 ff. Da anzunehmen ist, dass die o.g. Wasserpfeife aus der von Schweinitz geleiteten Expedition in der damaligen Kolonie „Deutsch-Ostafrika“ stammt, wird diese Expedition im Folgenden einer genaueren Betrachtung unterzogen, die sich im Wesentlichen auf das von Schweinitz hierzu verfasste Buch Deutsch-Ost-Afrika in Krieg und Frieden stützt.

[12] Einer der ältesten Orte Tansanias. Von 1888 bis 1891 Hauptstadt von Deutsch-Ostafrika, bevor dieses aufgrund des tieferen Hafens nach Dar es Salaam verlegt wurde.

[13] Vgl. Schweinitz: Deutsch-Ost-Afrika in Krieg und Frieden, S. 15.

[14] Vgl. ebd., S. 21 f.

[15] Ebd., S. 27–32.

[16] Vgl. ebd., S. 38.

[17] Vgl. ebd., S. 40.

[18] Ebd., S. 41.

[19] Vgl. ebd., S. 43 ff. Kapitel V. Ein Kampftag und S. 64.

[20] Vgl. Gottberg, Achim: Unyamwesi: Quellensammlung und Geschichte; Leipzig 2012. Hierin ausführlich zur Geschichte Unyamwesis, sowie u.a. der Schriftverkehr mit dem Reichskolonialamt zum Angriffskrieg gegen den Sultan Sike in transkribierter Form. Dem Angriff unter Schweinitz auf das Dorf, in dem Sike lebte, waren mehrere Angriffe der Deutschen auf das Gebiet Unyamwesi vorausgegangen. Laut Gottberg traf der Angriff die Dorfbewohner völlig überraschend (Vgl. S. 85). Weitere Angriffe gegen Sike sollten folgen.

[21] Schweinitz: Deutsch-Ost-Afrika in Krieg und Frieden, S. 48.

[22] Ebd., S. 44.

[23] Vgl. ebd., S. 48.

[24] Vgl. ebd., S. 64.

[25] Vgl. ebd., S. 52.

[26] Vgl. ebd., S. 65 ff. und 76 ff.

[27] Vgl. ebd., S. 93 f.

[28] „Museum für Völkerkunde Dresden: MVD_1E_1891/18_Schweinitz_H_von“, S. 3.

[29] Landschaft im zentralen Hochland Tansanias.

[30] Vgl. Schweinitz: Deutsch-Ost-Afrika in Krieg und Frieden Kapitel IX. Nach dem Victoria-See.

[31] Vgl. ebd., S. 107.

[32] Vgl. Karstedt, Oskar: Zum Gedächtnis des Grafen Schweinitz; in: Deutsche Kolonialzeitung: Organ der Deutschen Kolonialgesellschaft vom 20.03.1918. URL: http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/kolonialbibliothek/7860429 (09.01.2023).

[33] Vgl. Schweinitz: Deutsch-Ost-Afrika in Krieg und Frieden, S. 175 ff. Detailliert nachzulesen im Kapitel XV. Der Peters-Dampfer.

[34] Vgl. Karstedt: „Zum Gedächtnis des Grafen Schweinitz“, S. 33.

[35] Vgl. u. a. Schweinitz: Deutsch-Ost-Afrika in Krieg und Frieden, S. 22 ff. und 35 ff.

[36] Ebd., S. 36.

[37] Ebd., S. 36 f.

[38] Vgl. Karstedt: „Zum Gedächtnis des Grafen Schweinitz“, S. 33.

[39] Vgl. ebd., S. 34.

[40] Vgl. Deutsche Kolonial-Ausstellung, Berlin u. a. (Hgg.): Deutschland und seine Kolonien im Jahre 1896. Amtlicher Bericht über die erste Deutsche Kolonial-Ausstellung; Berlin 1897. URL: https://www.biodiversitylibrary.org/item/194856.

[41] Vgl. Karstedt: „Zum Gedächtnis des Grafen Schweinitz“, S. 34.

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