Die Burg Mylau ist einer der ersten Fabrikstandorte der westsächsischen Region. Hier wurde 1808 die Spinnerei Brückner geründet und aufgebaut, welche sich in den folgenden Jahrzehnten zur größten Spinnerei Sachsens entwickelte. Somit verdient die Burg Mylau eine besondere wissenschaftliche Betrachtung vor dem Hintergrund der industriellen bzw. insgesamt bürgerlichen Nutzung.
An diesem Standort müssen verschiedene Einflüsse berücksichtigt werden, welche für das Gelingen der industriellen Revolution in der nordvogtländischen Region wesentlichen Beitrag geleistet haben. Dazu gehören die vorindustriellen Strukturen der Textilverleger und Hausweber, welche bis heute mit dem Stadtviertel der "Türkei" am Fuße der Burg auch im Stadtbild Mylaus prägend sind. Ebenfalls mit zu betrachten ist die bürgerliche (Ver)Nutzung des ehemaligen Herrschaftssitzes der Burg Mylau als privater Wohnort, Industriestandort für zwei Firmen (Spinnerei Brückner, Stoffdruckerei Baust), repräsentatives Rathaus einer stolzen Bürgerschaft und Museumsstandort zur Bewahrung des kulturellen Bürger-Erbes. Die bürgerliche "Eroberung" der Burg seit 1772 vor dem Hintergrund der einsetzenden industriellen Entwicklung und deren Nutzung für das eigene Auskommen und Repräsentieren lassen die Burg Mylau zu einem der besonderen Standorte industrieller Kultur in Sachsen werden.
Hinzu kommt die allgemeine Fragestellung der Nutzung von Burgen als Industriestandorte, wofür es in Sachsen mit der Albrechtsburg Meißen, dem heutigen Kulturschloss in Großenhain, aber auch mit Schloß Osterstein in Zwickau weitere Beispiele gibt. Hierbei können Beziehungen ins Ruhrgebiet geknüpft werden, welche diese beiden frühindustriellen Entwicklungszentren auch unter diesen Aspekten verbinden. In diesen Themenkomplex ist auch der Einfluss der sich verändernden Verkehrswege und Verkehrsmittel in unmittelbarer Nähe zur Burg Mylau (Eisenbahnlinie Leipzig –Nürnberg mit der Göltzschtalbrücke) in die Betrachtungen einzubeziehen.
Die vielfältigen Aspekte der industriekulturellen Bedeutung der Burg Mylau und der Beziehungen zur Stadt und in die Region sollen im „Jahr der Industriekultur 2020“ im Museum Burg Mylau in einer Sonderausstellung wissenschaftlich aufbereitet präsentiert werden.
In der Vorbereitung dieser Ausstellung wurde ein erheblicher Aufarbeitungsbedarf sichtbar, welche eine gute wissenschaftliche Fundierung der geplanten Ausstellung aktuell unmöglich macht. Durch die Wahrnehmung der Burg Mylau und ihrer wechselvollen Geschichte durch acht Jahrhunderte lag der Fokus der Museumsarbeit immer auf den Schwerpunkten Baugeschichte sowie historischen Ereignissen im Mittelalter und Reformation. Kernpunkte in der Forschung wurden vor allem durch die Vorlieben der Museumsleiter wie Adelskultur und Göltzschtalbrücke gebildet. Die umfangreiche bürgerliche Sammlung des Museums diente lediglich zur Illustration und Dekoration in der Dauerausstellung und kleineren Sonderausstellungen.
Hinzu kommt durch personelle Veränderungen ein tiefgreifender Abriss in der Überlieferung nicht oder nur teilweise fixierten Wissens um die Burg, die Stadt Mylau und die Region.
So entsteht eine Diskrepanz zwischen der Bedeutung der Burg Mylau für die industrielle Entwicklung der Region, der bislang erfolgten wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema und der Verfügbarkeit von Wissen, Ergebnissen und Publikationen.
Um zum einen diesem Missstand abzuhelfen und damit vor allem auch für das Jahr der Industriekultur 2020 eine Grundlage zu schaffen, soll im ersten Halbjahr 2019 das Projekt „Digitale Wissensbasis Industriekultur Mylau“ durchgeführt werden. Ziel dieses modellhaften Projekts soll die Schaffung einer Wissensbasis sein, welche in sich Informationen über alle verfügbaren Quellen zur Industriekultur für Mylau bzw. vor allem die Burg Mylau vereint. Dabei sollen vor allem im Museum Burg Mylau die umfangreichen Dokumentenbestände vor diesem Hintergrund erschlossen werden. Hinzu treten Quellen und Materialen in Stadt-, Kreis- und Landesarchiven und –bibliotheken und nicht publiziertes Wissen in anderen Einrichtungen und von lokalen Forschern.
Auf diesem Wege kann eine Übersicht über die Quellen und Materialien zur Industriekultur und damit eine Basis für die Erarbeitung der Ausstellung auf der Burg Mylau im Jahr 2020 geschaffen werden. Besonderer Vorteil ist die große Nachhaltigkeit der „Digitalen Wissensbasis Industriekultur Mylau“, welche über die die „Digitale Wissensbasis Museum“ (https://histsax.hypotheses.org/) für alle Interessierten jederzeit recherchierbar und langfristig verfügbar gestaltet ist.
Aktuell liegt der große Schwerpunkt der Wissensbasis eher auf landeskundlichen Fragestellungen, die Erweiterung um die Industriekultur für die Burg Mylau belegt jedoch vor allem die große Flexibilität des gewählten Formats. Somit könnten auch Wege in eine solche Wissensbasis für andere Museen und Akteure der Industriekultur in Sachsen geöffnet werden. Im Verlauf des Projekts sind drei Veranstaltungen (Eröffnung, Vortrag und Abschluss) geplant, um das Thema einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen und die Arbeit mit der „Digitalen Wissensbasis“ anderen Einrichtungen der Industriekultur vorzustellen.
Für das Museum Burg Mylau ist das Projekt „Digitale Wissensbasis Industriekultur“ essentiell, um sich mit einem Ausstellungsprojekt zur frühen Industrialisierung am „Jahr der Industriekultur 2020“ angemessen beteiligen zu können.
Das Projekt wird von der Kulturstiftung des Landes Sachsen und dem Kulturraum Vogtland Zwickau gefördert.