Nach dem 2. Weltkrieg veränderten sich die ursprünglich vereinsgetragenen Museen hin zu kommunalen Museen mit klarer politischer Aufgabe. Bis 1989 dauerten Profilierungsversuche für die Museen in Reichenbach und auf der Burg Mylau.
Das Städtische Heimatmuseum Reichenbach
Im September 1945 werden Neugestaltungspläne für das Städtische Heimatmuseum Reichenbach von dessen Leiter Dr. Johannes Leipoldt vorgelegt. Im Fokus, so Leipoldt, stehe nun, die „Pflege des Heimatgedanken“ und das Ableiten des „heimatlichen Umkreises“ auf allgemein-bildende Zusammenhänge und weltanschauliche Fragen. Der Gliederungsvorschlag beläuft sich auf eine Naturkundliche und eine Stadtgeschichtliche Abteilung mit einem stark ausgeprägten wirtschaftsgeschichtlichen Anteil. Ethnologisches Sammlungsgut und damit assoziierte Themen finden keine Erwähnung.[1]
In einer Sammlungsübersicht vom Oktober 1945 gehen die zoologischen, botanischen und mineralogischen Objekte, die aus ehemaligen deutschen Kolonialgebieten stammen, in der Beschreibung des Bereichs Naturkunde auf. Die „Völkerkundliche Sammlung“ wird wie folgt beschrieben: „Völkerkundliche Gegenstände verschiedener Art aus Japan, Mittel- und Südamerika, und vor allem aus der Südsee und den afrikanischen N….-kulturen. Besonders vertreten sind Waffen, Schmuckgegenstände und Kleidungsstücke.“[2]
Das Museum in Reichenbach ist zu diesem Zeitpunkt nicht öffentlich zugänglich, da Teile des Amtsgerichts hierher ausgelagert wurden und die Museumsräume auch als Lager für beschlagnahmte Textilien, Lebensmittel und Tabakwaren fungieren. Gemäß des Befehls Nr. 177 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMA) wonach alle Museen in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) so schnell wie möglich wieder eröffnet werden sollen, um für die Bevölkerung wissenschaftliche Erkenntnisse und demokratische Ideen zu propagieren, wendet sich das Museum an den Stadtrat und ersucht nach der Beräumung der im Museum unzweckgemäß genutzten Flächen.[3]
Im Jahr 1955 wird gemäß den politischen Vorgaben[4] eine neue Abteilung zur Geschichte der Arbeiterbewegung erstellt, weitere Ausstellungs- und Sammelschwerpunkte bilden die Abteilung Industriegeschichte mit Fokus auf der regionalen Textilindustrie sowie das Leben und Werk der Neuberin[5]. Die naturkundliche Abteilung soll in Absprache mit dem Referat Museen in der Abteilung Kultur beim Rat des Bezirkes umgestaltet werden. Als weitere Museumsaufgaben werden u.a. die Forschungsarbeit (hier: Stadtgeschichte und Arbeiterbewegung) sowie das Ausrichten von Sonderausstellungen benannt. Der Museumsleiter Johannes Leipholdt ist gleichzeitig Leiter der Kreisfachgruppe Heimatgeschichte im Kulturbund.[6]
Das Heimatmuseum Burg Mylau
Die Neueröffnung des Museums auf der Burg Mylau wird bereits im Jahr 1946 durch den sowjetischen Stadtkommandanten verfügt. Im Vorfeld waren der Ausstellung “kriegsverherrlichende Elemente” entnommen worden.[7]
1950 ist in einer Anzeige für das Museum Burg Mylau an zweiter Stelle eine „Prähistorische Sammlung und völkerkundliche Abteilung“ erwähnt, was darauf schließen lässt, dass zu diesem Zeitpunkt durchaus noch ethnologische Sammlungsgüter präsentiert wurden.[8] In der Ausstellungspräsentation der Burg Mylau in den 1950er Jahren, dürften aber auch (naturkundliche) Objekte aus kolonialen Kontexten präsentiert worden sein, die nun gemeinhin als „Exotika“ bezeichnet werden.[9]
Bei einer Begehung der Burg durch eine Fachkommission im Mai 1954 wird als Sofortmaßnahme empfohlen, u. a. die „biologische Abteilung“ auf der Burg aufzulockern und alle „Exotika“, bis auf einige wenige Vergleichsexemplare zu entfernen.[10]
Gleiches hatte schon der Bezirksmuseumspfleger in seinem „Bericht und Vorschläge Museum Burg Mylau betreffend“ angemahnt. Er urteilt, dass das Haus trotz aller Mühe und Liebe ein Museum des alten Stils sei, dem eine klare Linie fehle. Der damalige Museumsleiter Voigt sei zwar nicht von einer Verminderung der Naturkunde zu überzeugen, dennoch solle man doch wenigsten „[…] die Exoten, ebenso wie die Sammlung der Meerestiere […]“ wie Hai, Koralle oder Schildkröte zu Gunsten heimischer Tiere „wegnehmen“, da diese ja so gar keinen Bezug zu Mylau hätten.[11]
In den 1950er Jahren wird wie in zahlreichen Heimatmuseen der DDR auch im Museum Burg Mylau mit der Inventarisation nach Heinz Arno Knorr (1909-1996)[12] begonnen. In einer nach dem „System Knorr“ angelegten Auflistung der Sammlungsbestände ist die Ethnologische Sammlung im Februar 1957 unter „K Völkerkundliche Sammlung | Gegenstände verschiedener Art aus dem Volksleben Ostasiens, Südamerika, Afrikas und der Südsee ca. 400 Stück“ verzeichnet.[13]
Das Kreismuseum auf der Burg Mylau und die Zusammenführung der ethnologischen Sammlungsbestände
Am 2.2.1956 findet eine Besprechung „Zur Verbesserung der Museumsarbeit im Kreis Reichenbach zwischen den beiden Museen – Heimatmuseum Reichenbach und Heimatmuseum Schloß Mylau“ statt. Neben den beiden Museumsleitern Voigt (Mylau) und Leipholdt (Reichenbach), Vertretern des Rates des Bezirkes und des Kreises sowie der Städte Mylau und Reichenbach ist hier auch Dr. Heinz A. Knorr vom Ministerium für Kultur, Fachstelle Heimatmuseen zugegen, auf dessen Initiative dieses Treffen anberaumt wurde.[14]
Grund für die Aussprache sind „[…] die ungenügenden Museumsverhältnisse, insbesondere die nicht befriedigende Koordinierung in der Arbeit zweier unmittelbar nebeneinanderliegender Museen, […]“[15] Hierbei wird die Existenzberechtigung beider Museen nebeneinander festgestellt und festgelegt, dass die Burg Mylau zum Kreismuseum werden soll. Die geschichtlichen Abteilungen beider Häuser sollen zukünftig im Kreismuseum auf der Burg Mylau vereint und die entsprechenden Bestände aus Reichenbach dorthin überführt werden.[16]
Dieser Beschluss nimmt die politischen Vorgaben aus den 1960er zur Profilierung der Museen der DDR vorweg. Er dürfte den Grundstein für die umfangreiche Abgabe aller möglicher Sammlungsgüter, darunter die ethnologischen, von Reichenbach ins Museum auf der Burg Mylau gebildet haben.
Wann, in welchen Etappen und in welchem Umfang die ethnologischen (und zahlreiche weitere) Sammlungsbestände des Museums in Reichenbach auf die Burg Mylau verbracht wurden, ist in der Überlieferung nicht zu ermitteln. Es wird lediglich an verschiedenen Stellen die Übergabe der Naturkunde oder des „Reichenbacher Materials“ nach Mylau erwähnt. [17]
Noch 1978 wird bemängelt, dass die im Jahr 1956 beschlossene Überführung der Sammlungsgüter von Reichenbach nach Mylau noch immer nicht abgeschlossen sei.[18]
Museumsleiter Zierdt fragt im Februar 1979 beim Rat des Kreises Reichenbach, Abteilung Kultur um finanzielle Unterstützung für ca. 20 LKW-Fahrten an, da die Überführung der Reichenbacher Museumsbestände bis 30.6.1979 abgeschlossen sein müsse.[19]
Teile der ethnologischen Sammlung wurden, vermutlich letztmalig, vom 28.7. bis 4.9.1964 in einer Wechselausstellung mit dem Titel „Handwerks- und Volkskunst in Afrika und der Südsee“ präsentiert. [20] Wie es zu dieser Ausstellung kam und welche inhaltliche Ausrichtung sie verfolgte, ist nicht überliefert.
Museumsprofilierung in den 1970/80er Jahren und Abgabe der Ethnologischen Sammlung nach Dresden
Politische Rahmenbedingungen
Mit der Gründung der Fachstelle für Heimatmuseen in Halle im Jahr 1954 stehen zunächst Heimatmuseen, wie in Mylau oder Reichenbach, im Zentrum einer staatskonformen Museumspolitik. Über sie möchte man eine möglichst breite Bevölkerungsschicht erreichen.[21]
In der zentralen Kulturkonferenz der SED im Jahr 1957 und der Bitterfelder Konferenz 1959 wird die zukünftige Erwartungshaltung an die Museen formuliert, unter anderem wird eine stärkere Hinwendung zur neuesten Geschichte gefordert.[22] Die Fachstelle für Heimatmuseen wird 1963 als Zentrale Fachstelle für Museen beim Ministerium für Kultur von Halle nach Berlin verlegt.[23]
1965 gründet sich zudem der Rat für Museumswesen als weiteres kulturpolitisches Leitungsgremium, besetzt mit Fachleuten und Kulturfunktionär:innen. Der Rat für Museumswesen gliedert sich in weitere Sektionen nach Museumsarten, wie Naturkunde- und Technikmuseen oder Kunst- und Geschichtsmuseen. [24] Ein Projekt des Rates ist eine Professionalisierung und Profilierung des gesamten „DDR-Museumsnetztes“. [25] Dabei sollen Bezirksmuseen die Leitfunktion einer aufeinander abgestimmten Museumsstruktur übernehmen.[26] In seinem Vortrag „Die gegenwärtigen Aufgaben bei der Entwicklung eines einheitlichen sozialistischen Museumswesens“ gehalten auf der 1. Tagung des Rates für Museumswesen am 17.2.1966 in Berlin, führt der Leiter des Sektors Museen im Ministerium für Kultur der DDR Gerhard Thiele zur Profilierung wie folgt aus: „Es geht bei der Profilierung nicht nur um die Bereinigung eines teilweise althergebrachten Zustandes, wonach einer großen Anzahl von Heimatmuseen dem Besucher ein Sammlesurium von wissenschaftlichen und gestalterisch ungenügend verarbeiteten Themen angeboten wird.“[27] Einen ähnlichen Zustand hatte der Bezirksmuseumsverwalter in den 1950er Jahren für das Museum Burg Mylau konstatiert[28].
Thiele proklamiert weiterhin die Aufgabenstellung eines jeden Museums zu überdenken, zu präzisieren oder zu verändern und Schwerpunkte für die nächsten 5-10 Jahre festzulegen aus denen sich dann die Aufgaben für Forschen, Sammeln und Ausstellen ableiten lassen. Die Profilierung solle jedem Museum ein unverwechselbares Gesicht geben. Die Museumskollektive sollen hierzu Profilierungspläne vorlegen, die in den Bezirken unter fachlicher Anleitung koordiniert und ggf. korrigiert werden sollen. Dazu sollen Arbeitsgruppen aus Vertretern der Bezirksräte, Wissenschaftlern und Kulturfunktionären gebildet werden.[29] Im Rahmen der Profilierungsmaßnahmen sollen die vorhandenen Sammlungen sinnvoll konzentriert werden, um leistungsfähige Museen mit hoher wissenschaftlicher Qualität zu schaffen.[30]
Dies hatte, wie in Mylau und Reichenbach, größere Tausch- und Abgabeaktivitäten in den zahlreichen Heimatmuseen der DDR zur Folge.[31] Das Altmärkische Museum Stendal, das sich seinem Profil nach nun der historischen Entwicklung der Altmark und der Stadt Stendal von der Urgemeinschaft bis heute sowie der Altmark nach 1945 widmen soll, übernimmt beispielsweise die ur- und frühgeschichtlichen Bestände aus den Museen Osterburg und Tangermünde und gibt seine naturkundlichen Bestände an das kulturhistorische Museum Magdeburg ab. Die völkerkundliche Sammlung geht an das Völkerkundemuseum in Leipzig, die Objekte der bäuerlichen Volkskultur an das Museum Osterburg.[32]
In Mylau und Reichenbach war bereits 1956 die Abgabe einer Vielzahl von Sammlungen aus dem Heimatmuseum Reichenbach an das neue Kreismuseum Mylau beschlossen und sukzessive vollzogen worden. Das Sammlungsgut wurde also, beginnend in den späten 1950er Jahren, zunächst im Kreismuseum Burg Mylau zentralisiert. Eine gezielte Abgabe der ethnologischen Sammlungsbestände nach Dresden erfolgt wie im o.g. Beispiel des Museums in Stendal erst in den 1970er Jahren.
Umsetzung der Profilierung im Museum auf der Burg Mylau und Abgabe der ethnologischen Sammlung
Auch für das Museum auf der Burg Mylau wird umfangreich zur Neuprofilierung des Hauses diskutiert und beraten und eine ausführliche Profilierungskonzeption erarbeitet.[33]
Am 13.9.1973 wird im Mylauer Stadtrat zu den „Vorschlägen zur Neuprofilierung und Erweiterung des Heimatmuseum Burg Mylau“ getagt. Gemäß der Verwirklichung der vom VIII. Parteitag der SED beschlossenen Hauptaufgabe der Museen der DDR bis 1980[34], werden in dieser Sitzung die Grundsätze zur Neuprofilierung und Erweiterung des Museums beschlossen.[35]
Festgelegt wird hier u.a., dass die Geschichte der Burg sowie die der Städte Mylau und Reichenbach Schwerpunkte der weiteren Entwicklung bleiben sollen, ebenso die örtliche Arbeiterbewegung und die Abteilung Zeitgeschichte. Die tierkundliche Abteilung soll bleiben und nach wissenschaftlichen Erkenntnissen umgestaltet werden, im Fokus sollen hier nun Landesgeschichte und Naturschutz stehen.
Weitere (Ausstellung-)Themen sollen die Geologie des Vogtlandes und die nordvogtländische Tuchmacherei unter Einbeziehung der örtlichen Textilbetriebe sein. [36]
Die Katalogisierung und Inventarisierung des Museumsgutes sollen abgeschlossen werden, dabei sei zu prüfen, ob „[…] Sammlungsbestände und Exponate, für die keine Verwendungsmöglichkeiten vorhanden sind, an andere Museen übergeben werden.“[37] Dieser Stadtratsbeschluss dürfte die Grundlage zur späteren Abgabe der außereuropäischen Kulturgüter nach Dresden gebildet haben.
Der Stadtverordnete Heini Reichel wird als Leiter einer zeitweiligen Arbeitsgruppe zur Neuprofilierung und Erweiterung des Museums benannt. Er wird bevollmächtigt zur Mitarbeit Fachkräfte und interessierte Bürger heranzuziehen.[38]
Ab 1. April 1974 wird Karl-Heinz Zierdt zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter und als erster Stellvertreter des Direktors des Kreismuseums auf der Burg Mylau ernannt.[39] Ihm sollen u.a. die wissenschaftlichen Vorarbeiten für die Realisierung des zukünftigen Profilierungsschwerpunktes „Darstellung von Produktivkräften in der Geschichte der nordvogtländischen Tuchmacherei“ obliegen.[40] Der bis dahin amtierende Direktor Johannes Leipholdt verstirbt am 5.4.1974. Karl-Heinz Zierdt übernimmt die Museumleitung.
Im Juli 1975 wird Zierdt zur Arbeitsgemeinschaft Geschichtsmuseen delegiert, die die Profilierungskonzeption der Museen des Bezirks Karl-Marx-Stadt erarbeiten soll. AG-Leiter ist der Leiter des Schlossbergmuseum in Karl-Marx-Stadt.[41] Dieser übersendet Zierdt ein Exemplar „Die Hauptaufgaben der Museen in der DDR bis 1980“ und bittet darum, auf „einer halben A4-Seite“ die Profilbestimmung des Museums niederzuschreiben, die für die nächsten Jahrzehnte gültig sein soll. Zierdt solle diese beim nächsten AG-Treffen am 16.9.1975 vorlegen.[42]
Zierdt verfasst daraufhin ein „Sammlungskonzept und Sammelplan für das Kreismuseum Burg Mylau“. Darin heißt es gleich zu Beginn:
„…1.) Die Sammlungskonzeption des Kreismuseums beruht auf der Basis des Profilierungsplanes. Die völkerkundlichen Sammlungen werden dem Ethnologischen Museum Dresden übergeben...“[43]
Außerdem solle die Sammlung römischer Irdenware an die Antikensammlung in Dresden gehen. Die Naturwissenschaftliche Sammlung werde zukünftig nur in geringem Umfang auf regionaler Basis erweitert, die Sammlungen zur Ur- und Frühgeschichte zum Kreis Reichenbach werde weiter besammelt. [44]
Kontaktaufnahmen zur Abgabe der Ethnologischen Sammlung an andere Häuser wurden bereits im Vorfeld getätigt: Im Juli 1975 wendet sich der Museumsleiter Karl-Heinz Zierdt per Brief zunächst an das Museum für Völkerkunde in Leipzig und berichtet von einer größeren „[…] Anzahl exotischer Waffen, Gebrauchsgegenstände usw. […]“[45] die man dem Museum bei Interesse gern übergeben würde. Er bittet um Äußerung, ob das Museum Interesse an diesen Dingen hätte und wie eine Übergabe bewerkstelligt werden könnte.[46]
Womöglich blieb eine Reaktion aus, wendet sich Zierdt doch im August 1975 mit einem Brief ähnlichen Inhalts an den Direktor des Staatlichen Museums für Völkerkunde in Dresden. Hierin ist zu lesen, dass „Im Kreismuseum Burg Mylau und dem angegliederten ehemaligen Heimatmuseum Reichenbach i.V. […] größere Mengen völkerkundlichen Materials wohl besonders aus den früheren deutschen Kolonien…“[47] lagerten.
Am 5.1.1976 werden die ethnologischen Objekte schließlich per LKW nach Dresden übergeben. Im Übergabeprotokoll ist zu lesen:
„…Das Staatliche Museum für Völkerkunde (Forschungsstelle) Dresden Japanisches Palais/Karl- Marx-Platz übernimmt heute den gesamten völkerkundlichen Bestand des Kreismuseums Burg Mylau und des ehemaligen Heimatmuseums Reichenbach i.V. Eine detaillierte Aufstellung fertigt o.g. Empfängermuseum an...“[48]
Zierdt wendet sich am 16.1.1976 erneut an Tiesler und bittet „[…] wenigstens die Gesamtzahl der Gegenstände nur nach Sachgruppen geordnet mitzuteilen.“, da er wegen der Übergabe der Sammlung baldigst eine Vorlage für die Stadträte Mylau und Reichenbach machen müsse.
Warum diese Vorlagen erst nach erfolgter Übergabe benötigt werden, bleibt unklar. Erst am 2.4.1976 wendet sich Zierdt an den Stadtrat in Reichenbach und am 2.4.1976 mit gleichem Wortlaut nach Mylau und bittet aufgrund der Neuprofilierung des Kreismuseums als „regionalgeschichtliches Museum auf volkskundlicher Grundlage mit einer naturwissenschaftlichen Abteilung“ um Zustimmung 261 Objekte (50 aus Afrika, 56 Ozeanien, 139 Asien, 10 Amerika, 6 Europa) an das Völkerkundemuseum in Dresden abgeben zu dürfen.[49]
Zur Übernahme schreibt Dr. Frank Tiesler, Leiter der Abteilung Sammlungen des Staatlichen Museums für Völkerkunde Dresden schließlich:
„…Die übernommenen Sammlungen umfaßten insgesamt 371 Objekte aus verschiedenen Sachbereichen, u.a. Waffen, Gebrauchsgeräte, Schmuck, Schnitzereien usw. Davon stammen 80 Objekte aus Afrika, 96 aus Ozeanien, 180 aus Asien, 10 aus Amerika, und 6 aus Europa. Ein Teil der Objekte stammte aus der Sammlung des Staatlichen Museums für Völkerkunde in Dresden und gelangte in den Jahren 1909 bis 1912 nach Reichenbach…“ [50]
Trotz der vermeintlich kompletten Abgabe der außereuropäischen ethnologischen Bestände im Jahr 1976, werden von Zeit zu Zeit weitere Ethnografika auf der Burg „aufgefunden“. Zum Beispiel erwähnt der Museumsleiter Zierdt 1978, dass sich auf der Burg Mylau „… im Höchstfalle noch 20 Fischspeere befänden …“, die bei Ordnungsarbeiten gefunden wurden und die man „… gelegentlich auch an Dresden übergeben …“[51] wolle.
Eine zweite umfangreichere Abgabe ethnologischer Sammlungsgüter nach Dresden, diesmal im Jahr 1981, ist durch ein Übergabeprotokoll vom 2.4.1981 belegt. Hierin sind insgesamt 65 Positionen mit Objekten unterschiedlicher Provenienzen verzeichnet.[52]
Neben den beiden „großen Übergaben“ in den Jahren 1976 und 1981 aus dem Vogtland nach Dresden scheint es auch kleinere gegeben zu haben:
Eine handschriftliche Notiz Zierdts gibt Auskunft, dass bereits am 8.9.1975 „… 1 jap. Schirm (Papier), 1 Seidentuch des deutschen Imperialismus (1900) Kiautschou China…“ an die Forschungsstelle des Staatl. Ethnograf Museums Dresden, Hr. Dr. Tiesler übergeben worden sei.[53] Auf welche Weise diese Objekte nach Dresden gelangten ist unklar.
In einem Brief vom 13.4.1977 bestätigt Dr. Frank Tiesler auf Bitten Zierdts den Empfang eines Rauchservices (Inv.Nr. Mylau V 362 C a-d), in Dresden aufgenommen unter den Inventarnummern 60695, 60696 a-b, 60697 und Briefmarken aus Neuguinea.[54]
Die Abgabe der vermeintlich kompletten ethnologischen Bestände nach Dresden war 1981 vollzogen und ein Schritt in Richtung Profilierung gegangen.
Das Museum für Völkerkunde in Dresden erhielt als überregional bedeutendes Museum zwischen 1949 und 1989 zahlreiche Bestände aus verschiedenen Museen der DDR, u.a. auch im Rahmen der Museumsprofilierung.[55]
Zur Ausrichtung des Kreismuseums auf der Burg Mylau schreibt Zierdt im Jahr 1980: „Das Profil des aus der Verschmelzung mit dem ehemaligen Heimatmuseum Reichenbach nunmehr entstandenen Kreismuseum Burg Mylau strebt eine systematische parteiliche Aussage als regionalgeschichtliches Museum mit naturwissenschaftlicher Abteilung an.“[56]
Dass bei Weitem nicht alle außereuropäischen Kulturgüter von der Burg Mylau nach Dresden gelangt waren, zeigte sich erst ab dem Jahr 2006 als in verschiedenen Etappen Teile der vormaligen ethnologischen Sammlung in Keller und Dachbodenräumen der Burg „wiederentdeckt“ wurden.[57]
[1] Vgl. „SAR 564/02“; „Vorschlag für die Neugestaltung des Heimatmuseums“.
[2] Ebd.; „Summarisches Verzeichnis der Sammlungen des städtischen Heimatmuseums Reichenbach“, Oktober 1945.
[3] Vgl. ebd.; Brief des Städtischen Heimatmuseums an den Rat der Stadt Reichenbach vom 17.8.1946.
[4] Vgl. Karge, Wolf: Sozialistische Profilierung - Entwicklungsstadien staatlicher Organisation und Einbindung der Museen in der DDR; in: Kratz-Kessemeier, Kristina/Cladders, Lukas (Hgg.): Museen in der DDR: Akteure – Orte – Politik, Wien, Köln 2022.
[5] Bei der Neuberin handelt sich um die in Reichenbach geborene Schauspielerin Friederike Caroline Neuber (1697-1760).
[6] Vgl. „SAR 564/02“; „Gegenwärtige Lage und Zukunftstaufgaben des Heimatmuseums Reichenbach“.
[7] Vgl. Viebahn: Natur im Blick! Vom „Verein für Naturkunde“ 1859 zur 5. Sächsischen Landesgartenschau 2009 in Reichenbach, S. 63.
[8] Vgl. Kulturamt des Stadtrates Mylau (Hg.): Festschrift zur Tausendjahrfeier der Stadt Mylau: vom 23. bis 25. September 1950; Mylau 1950, S. 63.
[9] Vgl. Akten Museum Burg Mylau Ordner (ohne Nr.) „Koordinierung Mylau/Reichenbach“.
[10] Vgl. ebd.; „Bericht über die Begehung des Heimatmuseums Mylau am 6.5.1954.“
[11] Vgl. ebd.; „Bericht und Vorschläge Museum Burg Mylau betreffend“ (ohne Datum).
[12] Der Prähistoriker Heinz Arno Knorr leitet die 1948 gegründete Fachstelle für Heimatmuseen und entwickelt Standards zur Inventarisierung in Museen.
[13] Vgl. Akten Museum Burg Mylau Schnellhefter (ohne Nr.) "Inventarisierung & Katalogisierung“.
[14] Vgl. „Akten Museum Burg Mylau Ordner (ohne Nr.) ‚Koordinierung Mylau/Reichenbach‘“. Protokoll der Sitzung „Zur Verbesserung der Museumsarbeit im Kreis Reichenbach“ vom 2.2.1956.
[15] Ebd.
[16] Ebd.
[17] Vgl. dazu Akten Museum Burg Mylau Ordner (ohne Nr.) „Koordinierung Mylau/Reichenbach“.
[18] Vgl. „Akten Museum Burg Mylau Ordner Nr. 22 ‚Profilierung‘“; „Politisch-Wissenschaftliche Grundkonzeption“ vom 31.1.01978.
[19] Vgl. Akten Museum Burg Mylau Ordner Nr. 3 „Briefwechsel mit übergeordneten Dienststellen 1.1.1975-16.11.84“ Brief von Zierdt an den Rat des Kreises Reichenbach Abtl. Kultur v. 16.2.79.
[20] Vgl. Akten Museum Burg Mylau Ordner Nr. 17 „Museumsangelegenheiten“ 1958-1977, Angaben zur kulturpolitischen Tätigkeit und Museumsbesuche in den Jahren 1964 und 1965, Schreiben des Museums Burg Mylau an den Rat des Bezirkes Karl-Marx-Stadt vom 19.10.1965.
[21] Vgl. Karge, Wolf: Sozialistische Profilierung - Entwicklungsstadien staatlicher Organisation und Einbindung der Museen in der DDR; in: Kratz-Kessemeier, Kristina (Hg.): Museen in der DDR: Akteure – Orte – Politik, Wien, Köln 2022, S. 58.
[22] Vgl. ebd., S. 60.
[23] Vgl. ebd., S. 61.
[24] Vgl. ebd.
[25] Vgl. ebd., S. 63.
[26] Vgl. ebd.
[27] Vgl. Thiele, Gerhard: Die gegenwärtigen Aufgaben bei der Entwicklung eines einheitlichen sozialistischen Museumswesens; in: Neue Museumskunde, H. 2/1966, S. 94.
[28] ohne Autor, Museen sollen Volksbildungsstätten sein. Systemlosigkeit im Mylauer Museum. In: Freie Presse 1952, 22.3.1952.
[29] Ebd., S. 95 ff.
[30] Vgl. Zentrale Fachstelle für Heimatmuseen beim Ministerium für Kultur (Hg.): Neue Museumkunde, Bd. 2/1966; Berlin 1966, S. 23 Neue Aufgaben.
[31] Vgl. Institut für Museumswesen (Hg.): Informationen für die Museen in der DDR, Bd. 3/1972; Berlin 1972, S. 5–23 Die Profilierung der Museen, Grundsätze, verdeutlicht am Beispiel des Bezirkes Magdeburg.
[32] Vgl. ebd., S. 20.
[33] Vgl. Akten Museum Burg Mylau Ordner Nr. 22 „Profilierung“.
[34] Vgl. ebd. Entwurf - Die Hauptaufgaben der Museen der DDR bis 1980 (Kopie).
[35] Vgl. ebd. Beschlussvorlage Stadtverordnetenversammlung Mylau vom 13.9.1973.
[36] Vgl. ebd.
[37] Ebd.
[38] Vgl. ebd.
[39] Vgl. ebd., „Richtlinien für die organisatorische Einordnung und die nächsten Arbeitsaufgaben des Koll. Karl-Heinz Zierdt“ vom 29.3.1974.
[40] Vgl. ebd.
[41] Vgl. ebd.; Brief vom Rat des Kreises an Zierdt vom 14.7.1975.
[42] Vgl. ebd. Brief Kluge an Zierdt vom 6.8.1975.
[43] Vgl. ebd. Sammlungskonzept und Sammelplan für das Kreismuseum Burg Mylau vom 15.9.1975.
[44] Vgl. ebd.
[45] Akten Museum Burg Mylau; Brief von Karl-Heinz Zierdt, kommissarischer Leiter, Heimatmuseum Burg Mylau an Museum für Völkerkunde Leipzig vom 2.7.1975.
[46] Ebd.; Brief von Karl-Heinz Zierdt, kommissarischer Leiter, Heimatmuseum Burg Mylau an Museum für Völkerkunde Leipzig vom 2.7.1975.
[47] Ebd.; Brief von Karl-Heinz Zierdt, kommissarischer Leiter, Heimatmuseum Burg Mylau an Museum für Völkerkunde Dresden vom 22.8.1975.
[48] „MVD Akten Mylau/Reichenbach nach 1945“; Notiz vom 5.1.1976, unterzeichnet von Zierdt und Tiesler.
[49] Vgl. „Akten Museum Burg Mylau Ordner Nr. 3 ‚Briefwechsel mit übergeordneten Dienststellen 1.1.1975-16.11.84‘“.
[50] „Akten Museum Burg Mylau“; Brief von Dr. Frank Tiesler, Leiter der Abteilung Sammlungen des Staatlichen Museums für Völkerkunde Dresden an Heimatmuseum Burg Mylau vom 13.2.1976.
[51] Ebd.; Brief von Karl-Heinz Zierdt, kommissarischer Leiter, Heimatmuseum Burg Mylau an Museum für Völkerkunde Leipzig vom 9.1.1978.
[52] Vgl. „MVD Akten Mylau/Reichenbach nach 1945“ Übergabeprotokoll vom 2.4.1981.
[53] Vgl. Akten Museum Burg Mylau Ordner Nr. 9 a „erledigte Leihgaben v. 1959“. Handschriftliche Notiz „Abgang“, am 28.9.75.
[54] Vgl. „MVD Akten Mylau/Reichenbach nach 1945“ Brief Tiesler an Leipold vom 13.4.1977.
[55] Vgl. Oppermann, Tina: Übernahme von „Problemkontexten“ im Zuge der Museumsprofilierung zu DDR-Zeiten am Beispiel der Staatlichen Ethnographischen Sammlungen Sachsen; in: RETOUR vom 07.09.2021. URL: https://retour.hypotheses.org/1654 (02.06.2023).
[56] Vgl. Zierdt, Karl-Heinz: 800 Jahre Burg Mylau im Vogtland; Mylau 1980.
[57] Vgl. Liebscher: „Wie kommt der Fischspeer auf den Burgberg?“